Autor: Kate Saunders
Verlag: Fischer Verlag
Bewertung: 4 von 5
Ab und zu packt mich die Krimilust. Ich bin nicht auf einen Autoren festgelegt und muss gestehen, dass ich Kate Saunders bisher noch nicht kannte. Sie versammelt in diesem Roman einiges, was auf den ersten Blick eine vielversprechende Kombination darstellt. Liebe, Geheimnisse aus einem anderen Leben, Landsitze und Morde, die die High Society im alten London in Aufruhr versetzen.
Protagonistin Laetitia Rodd ist verwitwet und verdient sich, natürlich äußerst diskret, gelegentlich als Detektivin etwas zu ihrer schmalen Witwenrente dazu. Ihre Erfolgsquote und Diskretion haben sich in Londons gehobenen Kreisen herumgesprochen. Lord Calderstone braucht dringend ihre Dienste, denn schließlich gilt es seinen guten Ruf, und vor allem das Erbe der Familie, zu retten. Er hegt den dringenden Verdacht, dass die Zukünftige seines Sohnes etwas aus ihrer Vergangenheit verbirgt. Einfach nur ein ungutes Gefühl oder gibt es handfeste Beweise, die die potentielle Schwiegertochter überführen? Laetitia Rodd scheint auf der richtigen Spur zu sein, denn plötzlich überschlagen sich die Ereignisse: Mord, Verrat, Verdächtigungen und Bedrohungen bringen schließlich die Ermittlerin selbst, sowie ihr Umfeld in Lebensgefahr.
Die Stellung der Frau, besonders als Witwe, war zur viktorianischen Zeit, in der der Krimi spielt, nicht gerade die Beste. Protagonistin "Letty" wird als sympathische Kämpferin dargestellt, die trotz schwieriger, gesellschaftlicher Position als junge Witwe nach wie vor auf der Suche nach einer sinnvollen Beschäftigung ist und sich noch nicht aufgeben will. Der Leser bekommt so einen guten Einblick darin, wie hart der Alltag mit wenig Geld in der Haushaltskasse war, bzw. wie schwer es war, viele Kinder trotz Armut gesund durchs Leben zu bringen. Die Kluft zwischen Arm und Reich wird mehr als deutlich, als "Letty" den Inkognito-Detektiv-Job bei den Calderstones annimmt. Saunders schafft es schnell das Setting herrlich prunkvoll zu skizzieren und den Leser auf eine imaginäre Reise durch das Anwesen mitzunehmen. Ähnlich malerisch wird die Landschaft außerhalb Londons dargestellt, eine Art Reiseführer oder Karte entsteht im Kopf , die man im Laufe des Krimis immer wieder durchblättert.
Sobald man sich während des Lesens auf der sicheren Seite wähnte, und schon ahnt, wie sich die Handlung entwickelt, schafft es Saunders immer wieder neue Akteure, Handlungsstränge und Zufälle auftreten zu lassen. So wird es beim Lesen der über 380 Seiten nie langweilig. Der Leser wird gezwungen weiter zu denken, eigene Strategien und mögliche Verbindungen der Akteure zu entwickeln. Durch diese "Spuren" bleibt der Krimi bis zur letzten Seite spannend.
"Das Geheimnis von Wishtide Manor" hat mich positiv überrascht, denn es war mir bis zum Schluss nicht klar, wie die einzelnen Schicksale miteinander verwoben sind. So ganz hat mich das Ende dann doch nicht überzeugt, aber da ich wirklich kaum das Buch weglegen wollte, bin ich schon auf den nächsten Fall von "Letty" gespannt.